Erstens facebook ist kein Buch; es sei denn man druckt es aus und lässt es binden. Aber auch dann ist es bezüglich Handlung und Charakterzeichnung doch eher eindimensional und kaum Pulitzer-Preis verdächtig. Das liegt vor allem an dem simplen Strickmuster der Profile. Man hat wenig Raum sich zu entfalten und diesen kleinen Spielraum der verfügbaren Möglichkeiten nutzen die meisten dann noch nicht mal aus, z. B. ein tolles Zitat seiner Wahl einzustellen. Bei jedem stehen ähnlich tieffliegende Zitate aus Filmen, die jeder kennt oder Zitate aus Büchern, die nicht nur Reich-Ranicki peinlich wären. Man will halt gemocht werden und sich verstanden wissen. Schließlich haben die Leute wenig Zeit. Erst recht, wenn es darum geht zu lesen, egal ob in den Profiltiefen oder -untiefen. Aber die Leute lesen wieder mehr. Und facebook ist immerhin anspruchsvoller als alles von Dan Brown und seinen Ordensbrüdern des verhaltenen Mainstreams.

Aber was ist dann facebook? Am besten lässt es sich als eine Mischung aus Klassenzimmer-Atmosphäre, Karneval in Vendig und Photoshop beschreiben. Es ist der ideale Hintergrund seinen eigenen Background auf das Wesentliche zu beschränken. Das Wesentliche unterscheidet sich aber von Wesen zu Wesen. So ist bei dem einen jedes im Urlaub geschossene Foto von wesentlichem Interesse. Andere sind einfach nur da und zeigen sich von ihrer Zucker(berg)seite.

Summa summarum: die Menschen sind Herdentiere und facebook ist der Schäfer. Und das Tolle daran ist, dass alle zugleich Schaf als auch Hirtenhund sind. Frage ist nur: Wer ist der böse Wolf? Oder wer ist der Wolf im Schafspelz? Alle Schafe spinnen jedenfalls zum kuscheligen "Gemeinwolle" ein Netz(werk) aus Uneindeutigkeiten, Seltsamen und Smalltalk.
Aber sehen wir es mal positiv: Die Leute kommen mal ein Stück aus ihren Schneckenhäusern, gehen auf Wildfremde zu und belügen diese ungeniert. Ich muss sagen: sehr sympathisch und fast wie im echten Leben. Außerdem machen sie etwas, das sie in ihrer analogen Welt nicht tun würden. Schließlich belügt man da ja am liebsten nur sich selber.



Grafik-Department: A.M.S.I.

by Quentin Dupieux

Ich hoffe nicht, dass dem einen oder anderen das hier am Arsch vorbeigeht. Das wäre fatal.

Oliver Kahn